Hungerstreik

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Liege zur Zwangsernährung in der Guantanamo Bay Naval Base

Der Hungerstreik ist eine Form des passiven Widerstands. Ein Einzelner oder eine Gruppe verweigern dabei die Nahrungsaufnahme mit dem bewussten Risiko, Schaden zu nehmen.

Der Hungerstreik wurde weltweit schon früh als Form des politischen Widerstands praktiziert. Wie jede Streikaktion ist der politische Hungerstreik eine öffentliche Demonstration mit einem konkreten Ziel. Das unterscheidet den Hungerstreik vom Fasten, dessen Ziele entweder spirituell oder medizinisch gesteckt sind.

Inhaltsverzeichnis

 Folgen

Die Nahrungsverweigerung kann ab etwa drei bis vier Wochen zu ernsthaften, zum Teil bleibenden gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tod führen, siehe Hungerstoffwechsel.

Einige hungerstreikende Menschen haben 50 bis 70 Tage überlebt. Bobby Sands, ein Mitglied der IRA, starb nach 66 Tagen. Holger Meins, Mitglied der Rote Armee Fraktion, starb nach 57 Tagen im Jahre 1974.

Gelegentlich wird der Hungerstreik durch Zwangsernährung mittels Magensonde gebrochen.

 Geschichte des Hungerstreikes

 Politischer Hungerstreik

Mahatma Gandhi in Indien verweigerte in den 1930er und 1940er Jahren mehrfach wochenlang die Nahrungsaufnahme, um sein Volk von einem Bürgerkrieg abzuhalten, zu dem es dann tatsächlich nicht kam.

Louis Lecoin (1888–1971) trat in seinem 1958 begonnenen, auch von Albert Camus unterstützten Kampf für Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung am 1. Juni 1961 in einen Hungerstreik, der bald von der großen Presse (besonders der satirischen Zeitung Canard enchaîné) unterstützt wurde. Am 22. Tag brach er das Fasten aufgrund eines Einlenkens von Premierminister Georges Pompidou ab, aber erst auf Androhung eines erneuten Hungerstreiks zwei Jahre später kam es zum Nachgeben der Regierung und schließlich im Dezember 1963 zum Erlass eines Gesetzes und zur Freilassung der inhaftierten Verweigerer. Seine Nominierung für den Friedensnobelpreis ließ er 1964 zugunsten von Martin Luther King zurückziehen.

1967 protestierte Fritz Teufel gegen seine Verhaftung nach dem Schah-Besuch mit einem politischen Hungerstreik.

Die inhaftierten Mitglieder der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion setzen ab 1972 in Westdeutschland den Hungerstreik massiv als politisches Mittel ein, um ihre Haftbedingungen zu verbessern. Die Justiz ging auf einige Forderungen ein, die wichtigste Forderung nach Zusammenlegung aller RAF-Häftlinge wurde jedoch nie gewährt. Die RAF-Häftlinge führten bis 1994 insgesamt zehn kollektive Hungerstreiks durch, an deren Folgen zwei Gefangene starben. Vor allem der Tod von Holger Meins 1974 wurde von der RAF als Märtyrertum bezeichnet und trug dazu bei, dass eine zweite Generation entstand.

Der Tübinger Lehrer Hartmut Gründler setzte zwischen 1975 und 1977 mehrfach das Druckmittel des Hungerstreiks (Saftfasten, Wasserfasten) ein, um in Wyhl, Tübingen und Kassel gegen vermeintliche „Falschinformation“ in der Atomenergiepolitik, speziell zur Endlagerung, zu protestieren.

 Hungerstreik gegen Werks- und Grubenschließungen

In Deutschland kam es in den 1960er Jahren im Zusammenhang mit der Schließung verschiedener Steinkohle-Zechen mehrfach zu Hungerstreikaktionen, die zwar großes Medienecho hervorriefen, aber die Schließungen nicht verhindern konnten. Auch die Stilllegung der Kaligruben der ehemaligen DDR konnte in den 1990er Jahren durch Hungerstreiks der Bergleute nicht abgewendet werden.

 Hungerstreik gegen Haftbedingungen

Wegen angeblicher Schikanen gegen Gefängnisinsassen befanden sich, nach Angaben des Organisators, seit dem 1. August 2008 mehr als 550 Häftlinge aus insgesamt 49 bundesdeutschen Gefängnissen in einem einwöchigen Hungerstreik. Aus Solidarität mit ihnen verweigerten auch einige wenige Gefängnisinsassen aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Spanien für eine Woche die Nahrung. Unabhängige Bestätigung dieser Zahlen liegt nicht vor. [1]

 Positionen zur Zwangsernährung

Artikel 6 der Erklärung von Tokio[2] der World Medical Association von 1975 hält klar fest, dass Ärzte sich nicht an Maßnahmen zur Zwangsernährung beteiligen dürfen.

In der Deklaration von Malta von 1992 erneuerte der Weltärztebund seine Forderung an die Ärzteschaft, Zwangsernährung nicht zu unterstützen. Die "Declaration on Hunger Strikers" wurde 1996 und 2006 überarbeitet und aufgrund der vermehrten Anwendung von Zwangsernährung im US-Gefängnis Guantanamo, im Wortlaut weiter verschärft.

Ärzte im deutschen Sprachraum sind durch ihre Mitgliedschaft in der deutschen Bundesärztekammer, der Österreichischen Ärztekammer bzw. der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) an diese Erklärung gebunden. Dennoch wird im deutschen Sprachraum über die Zwangsernährung von hungerstreikenden Asylbewerbern diskutiert.

Ähnliches gilt für die Debatte über die Zwangsernährung von hungerstreikenden Gefangenen durch US-amerikanische Ärzte im Internierungslager in Guantánamo.

 Quellen

  1. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28468/1.html Vgl dazu auch die WebPage des Strafvollzugsarchivs.
  2. The World Medical Association Declaration of Tokyo
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Hungerstreik“